Montag, Dezember 24, 2007

New Orleans

Am Donnerstag bin ich mit einer Stunde Verspätung am Flughafen von New Orleans angekommen. Seit Langem habe ich zum ersten Mal wieder ein eingechecktes Gepäckstück schnappen müssen (ich hatte weder in Denver noch in Boston ein größeres Gepäckstück dabei) und durfte mich dabei über den heruntergekommenen Flughafen ohne Anzeige auf den Karussels freuen. Wenigstens war die Verspätung meines Fluges ganz okay, denn ich musste, Verspätung eingerechnet, immer noch zwei Stunden auf Sebastian warten, der seinen Anschlussflug in Philadelphia trotz allen Bemühungen der US-Einreisebehörde erreicht hat. Wir wollten eigentlich mit einem Bus in die Innenstadt fahren, aber nachdem wir eine halbe Stunde umsonst gewartet hatten haben wir doch eins der Shuttles genommen. Das Internet und die lokalen Bediensteten waren sich einig darüber, dass der Bus eigentlich hätte fahren müssen, aber die vollkommen fehlende Ausschilderung hat mich doch irgendwas verunsichert.

So sind wir spät abends eben direkt vor der Haustür des India House Backpackers Hostel angekommen. Das Hostel ist ein rundherum angenehmer Ort. Natürlich muss man mit den bei diesen Hostels üblichen Residents klarkommen, aber die waren hier alle ganz nett. Auch sonst schlägt der Ort hier meine Erfahrungen in Denver um Längen, da er von kostenlosem WLAN und ATM bis zur täglich aktualisierten Tafel mit Live Music-Locations einfach no-Nonsense-praktisch eingerichtet ist.

Da wir zwar Hunger hatten, aber dann doch nicht unbedingt Ramen Noodles aus dem Automaten essen wollten, sind wir nochmal rausgegangen und die Canal Street heruntergelaufen. Da das Hostel aber ein ganzes Stück außerhalb von Downtown liegt haben wir in der Nähe nur einen McDonald's und einen Burger King direkt daneben gefunden. Beide hatten schon zu, nur der Drive Through war jeweils noch offen. Wir haben also beschlossen, dass wir endlich einmal tun sollten, wovon andere nicht mal träumen: Zu Fuß durch den Drive Through laufen. Es hat sich herausgestellt, dass man zu Fuß leider keinerlei Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann. Die Sprechanlage ist vermutlich mit einer Induktionsschleife gekoppelt, die auf uns einfache Fußgänger natürlich nicht angesprungen ist.

Also sind wir zum Ausgabefenster vorgelaufen und haben dort die Aufmerksamkeit auf uns gezogen. Ich habe die Angestellte freundlich aber deutlich darauf hingewiesen, dass wir nunmal hier seien und sie ja einfach eine Bestellung entgegennehmen könnte. Ich habe sogar angeboten, so zu tun, als würde ich in einem Auto sitzen. Leider hat sie scheinbar nicht die notwendige Flexibilität besessen, und ihr Kollege war noch weniger hilfreich.

Irgendwann ist dann hinter uns ein Van vorgefahren, dessen Fahrer sich offensichtlich nicht traute, an uns vorbeizufahren. Ich bin zu ihm hingelaufen und habe ihm die Situation erklärt. Daraufhin hat er von sich aus vorgeschlagen, uns einmal um den Block zu nehmen um dann mit uns nochmal durch den Drive Through zu fahren. Das Angebot haben wir natürlich gerne angenommen, und so sind wir letztendlich doch noch an unser ungesundes Essen gekommen.

Ich fordere meine Leser dazu auf, das Experiment einmal irgendwo in Deutschland durchzuführen, und mir das Resultat mitzuteilen. Falls sich die Leute dort auch so unflexibel stellen sollten ist es vielleicht an der Zeit, ein Gerät zu basteln, mit dem man einer Induktionsschleife ein Auto vorgaukeln kann...

Am nächsten Morgen haben wir Iris, Amandines und Veronicas Mitbewohnerin aus Südkorea, vor dem Hostel getroffen. Die Welt ist doch klein! Es war nett, nochmal mit ihr zu reden. Sie war mit einem Freund schon länger in New Orleans, und die beiden haben uns ein paar Tipps gegeben.

Wir sind mit dem Trolley auf der Canal Street bis zum Lieblingswort aller Kombinatoriklehrer gefahren und sind ein paar Stunden lang durch die Gegend des French Quarters gelaufen. Am Jackson Square haben wir den Musikern zugehört und den Zauberkünstlern zugesehen, die zum Teil schon verdammt flinke Finger haben müssen - und natürlich ein noch flinkeres Maul, denn ein Großteil der Unterhaltung kommt von flotten Sprüchen. Und den ganzen Tag über sind wir blauen Menschen begegnet, da an dem Tag der New Orleans Bowl (College Football, was sonst?) stattfand. Die blauen Menschen waren übrigens aus Memphis und am Abend nicht mehr ganz so guter Laune. Einige von ihnen haben das wohl durch zusätzliche Bläue ausgeglichen.

Das French Quarter wirkt in den USA ziemlich fehl am Platz. Sympathische alte zwei- oder dreistöckige Steinhäuser stehen eng aneinandergedrängt an den kleinen Gassen, wie man sie eigentlich eher in Südeuropa vermuten würde. Zudem haben die Häuser hübsche Eisenbalkone, an denen sich gerne die Pflanzen entlangschlängeln.

Allerdings sind nicht alle Teile New Orleans' so schön. Wenn man auf der Canal Street aus Downtown herausfährt, in die Gegend unseres Hostels, sieht man eine Menge verlassener und auch einfach heruntergekommener Gebäude. An dieser Stelle wäre es schon interessant, einen vor/nach-Katrina-Vergleich zu sehen, aber so etwas scheint es nur in Büchern zu geben und nicht etwa hautnah. (Aus Touristensicht muss man an dieser Stelle Paderborn, wo an einigen Stellen in der Innenstadt Vergleiche zur Zeit vor und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg auf Tafeln zu sehen sind, loben.)

Abends sind wir einem Tipp folgend in die Preservation Hall in der Nähe der Bourbon Street gegangen. Ich bin ja normalerweise nun wirklich kein Fan von Jazz, aber das Konzert dort hat sich definitiv gelohnt. Der beste und ehrlichste Indikator dafür ist, dass die drei Stunden unglaublich schnell vorbeigegangen sind. Bourbon Street selbst ist auch faszinierend. Überall wird lebendige Musik gespielt, und, da es sich um einen der wenigen Orte der USA, an denen öffentliches Trinken offiziell erlaubt ist, handelt, Handgranaten und Hurrikane verkauft. Die Polizei zeigt entsprechend noch stärkere Präsenz als sonst überall in New Orleans (das tatsächlich ein Polizeidepartment hat, auch wenn sich selbiges "NOPD" abkürzt). Richtig orwellsch wirkten die mobilen Wachtürme, die die Polizei an mehreren Kreuzungen auf der Bourbon Street und anderswo aufgestellt hat. Aber vermutlich sind solche Maßnahmen notwendig, um den durch Plünderungen zerstörten Ruf von New Orleans wieder herzustellen.

Am Samstagmorgen haben wir die Greyhoundstation ausgekundschaftet, bevor wir dem Voodoo-Museum einen Besuch abgestattet haben. Voodoo wurde von afrikanischen Sklaven in die Gegend von New Orleans gebracht. Dort ist es scheinbar auf fruchtbaren Boden gestoßen und hat sich mit diversen anderen Kulten vermischt. Entsprechend präsent ist Voodoo überall in New Orleans. Heutzutage gibt es zum Beispiel eine Ladenkette, die sich VoodooMart nennt.

Wir sind dann noch zum Garden District, einem vor allem dank dichter Bewaldung und niedlicher Häuser echt hübschen Wohngebiet gefahren und haben dort einen Friedhof mit diesen aus Filmen bekannten Grabmonumenten besucht. Da der Grundwasserpegel keine vernünftigen Bestattungen erlaubt, haben die Bewohner der Gegend irgendwann angefangen, Minimausoleen zu bauen, und so die perfekte Szenerie zum Versteckspielen geschaffen.

Als wir abends im Hostel gespeist haben wurden wir dank unserer deutschen Unterhaltung von einer Grazerin namens Jule in wunderbar österreichischem Dialekt angesprochen. Endlich habe ich mal wieder jemanden "heuer" (bzw. eigentlich "heier") sagen hören! Sie ist nach einem Auslandssemester in Atlanta ebenfalls auf einer USA-Reise und noch mit uns zur Bourbon Street gekommen, wo wir den jungen - die meisten von ihnen waren wahrscheinlich jünger als ich (jetzt komme ich mir schon vor wie Lars...) - Jazzmusikern auf der Straße gelauscht haben. In die Lokale sind wir dank hierzulande üblicher Altersbeschränkung leider nicht hereingekommen, und so hat der sintflutartige Regen, der nach kurzer Zeit angefangen hat, unserem Ausflug ein hektisches Ende verpasst. Immerhin hat sich der Fahrer unseres Streetcars richtig zuvorkommend um uns Fahrgäste gekümmert. Einer fünfköpfigen Familie hat er zum Beispiel einen Regenschirm mitgegeben, und für uns hat er an einer Stelle mit direkterem Weg zum Hostel gehalten. Diese Art von Freundlichkeit fehlt bei uns in Deutschland leider.

Damit war unsere Zeit in New Orleans auch schon fast vorbei, denn heute früh sind wir um kurz nach 6 Uhr wieder mit dem Streetcar abgefahren, um die achtstündige Fahrt mit dem Greyhoundbus nach Houston anzutreten.

Ich wünsche allen Lesern (innen und außen) frohe Weihnachten!

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