Donnerstag, Mai 15, 2008

Lang lebe die Langeweile

Als Student hat man's nicht leicht; als Studentin auch nicht, aber erstens kann ich da weniger aus Erfahrung sprechen und zweitens will ich Frauen nicht durch doppelte Erwähnung bevorzugen. Daher belasse ich es im Folgenden beim einfachen generischen Maskulin in der Hoffnung, meine Leserinnen können diese Entscheidung nachvollziehen.

Es gibt viel zu tun im Studium, und das Klischee vom nichtstuenden Studenten ist, seit der Einführung von Bachelorstudiengängen sowieso, leider ziemlich falsch. Natürlich ist das aus egoistischen Gründen zu bedauern, aber das "leider" ist in diesem Fall gar nicht egoistisch gemeint - oder vielleicht doch, je nachdem aus welcher Warte man das Folgende betrachten mag.

Viel zu tun zu haben (auf bolognadeutsch nennt man das eine hohe Workload) hat nämlich - oh Wunder - zur Folge, dass man als Student weniger Leerlauf hat und damit nicht die Ruhe zur distanzierten Reflexion findet. Für erbsenzählende Wirtschaftswissenschaftler mag das in Ordnung sein (und der erboste Wirtschaftswissenschaften studierende Leser möge beachten, dass vor dem Nomen bewusst ein Adjektiv steht), für Mathematiker ist es fatal.

Am Besten erzähle ich dazu eine kleine Geschichte. Ich war in der letzten Woche in Lausanne zu Besuch bei Prof. Eisenbrand. Vordergründig ging es darum, meine Diplomarbeit voranzubringen, und das hat auch ganz gut geklappt. Viel wichtiger war aber, dass ich dort zwar in einer arbeitsamen Atmosphäre war, aber doch dem belasteten Unialltag entrückt.

Diese Kombination hat dazu geführt, dass ich mit einer neuen Ruhe über Kategorien nachgedacht habe, obwohl diese überhaupt nichts mit meiner Diplomarbeit zu tun hat. Ich hatte mit ihr vor über einem Jahr in der Vorlesung Darstellungen von Köchern zum ersten Mal Kontakt, aber so richtig anfreunden konnte ich mich mit all den kommutativen Diagrammen und universellen Eigenschaften nie.

Frei von jeglichem Druck von außen hat es in Lausanne dann auf einmal in ganz vieler Hinsicht geklickt. Es fällt mir schwer zu beschreiben, was da genau passiert ist. Jedenfalls verstehe ich jetzt auf intuitivere Art, was eine universelle Eigenschaft ist, was projektive und injektive Moduln oder Produkte und Coprodukte sind.

Diese Art der Erkenntnis lebt davon, dass man in Ruhe über ein Thema nachdenkt, dem eigenen Tempo und den eigenen Bedürfnissen folgend. Sie erfordert, dass man sich selbst Fragen stellt und nach ihren Antworten sucht. Dafür braucht es Langeweile. Sie ist die Mutter der Erkenntnis.

Samstag, Mai 10, 2008

Zu wenig Terror

Politiker im Allgemeinen waren noch nie bekannt dafür, im Interesse der Gesellschaft rational zu handeln. Von daher scheint es müßig, Gesetzesvorhaben, die ganz offensichtlich einer CYA-Politik entstammen, auf ihre Rationalität hin zu untersuchen. Leider kann ich nun mal nicht anders.

Eines dieser Gesetzesvorhaben ist das BKA-Gesetz. Nun bin ich kein Experte in Sachen Bundeskriminalamt, und es gehört auch nicht zu meinen innersten Wünschen einer zu werden. Daher vorweg: Es mag durchaus gute Aspekte an diesem Gesetz geben. Aber die Begründung, mit der es in die Legislative eingebracht wird, sollte es von vornherein disqualifizieren.

Denn ein Gesetz muss einen Zweck haben, und ein Gesetz muss im Hinblick auf die Erfüllung dieses Zwecks evaluierbar sein - sonst handelt die Politik so unverantwortlich wie ein Wissenschaftler, der seine Hypothesen nicht prüft.

Was ist also der Zweck des BKA-Gesetzes? Irgendwas mit Terrorismus wohl.

Hier liegt die Schwierigkeit. Nehmen wir einmal an, das BKA-Gesetz wird umgesetzt. Nehmen wir ferner einmal an, dass die nächste Bundesregierung verantwortlicher handelt als unsere heutige und das Gesetz dann nach vier Jahren evaluieren will.

Wir können heute bereits sagen, was passieren würde. Denn vergleicht man die Anzahl der Terroranschläge in Deutschland von 2004 bis 2008 mit der Anzahl der Terroranschläge von 2008 bis 2012, so wird diese Anzahl mit Sicherheit nicht zurückgehen - weniger als 0 geht nunmal leider nicht.

Anders gesagt: Das BKA-Gesetz kann seinen Zweck niemals erfüllen. Und weshalb sollte man ein Gesetz verabschieden, das von Vornherein zum Scheitern verurteilt ist?

Das eigentlich Tragische an der Geschichte ist, dass wir den ganzen Terz (oder den ganzen Terror? Aber das scheint mir dann doch keine angemessene Wortwahl zu sein...) nur deshalb ertragen müssen, weil unser Innenminister keine echten Probleme hat, an denen er seine Profilierungssucht hinreichend ausleben kann, und sich deshalb ein künstliches erschafft. Dabei mangelt es eigentlich nicht an echten Problemen: Armut, Bildung, Integration, Umweltschutz und nachhaltiges Wirtschaften sind nur einige wenige davon. Könnte man nicht wenigstens eines davon in seinen Verantwortungsbereich verschieben, damit er sich an etwas Produktivem ausleben kann? Einige dieser Probleme müsste man nicht einmal verschieben!

Wenn die Anzahl der "geglückten" Terroranschläge in Deutschland dann doch irgendwann statistisch relevant werden sollte, können wir diese Verschiebung immer noch rückgängig machen...