Mittwoch, Juni 18, 2008

Plädoyer für die Menschlichkeit

Ich habe mich vor langer Zeit dazu überreden lassen, mich bei sogenannten "sozialen Netzwerken" im Internet anzumelden. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die jetzt wegen der AGB-Änderung des Tages überrascht sind und empört diesen Webseiten den Rücken zukehren. Tatsächlich benutze ich diese Seiten sowieso nur äußerst selten, meist, um mit physisch entfernten Menschen in Verbindung zu treten, die mir am Herzen liegen, die aber mit E-Mail leider etwas auf Kriegsfuß stehen.

Dennoch habe ich fast alles, was über mich auf diesen Seiten steht, gelöscht - aus einem Grund, der vielleicht etwas ungewöhnlich ist.

Vor Kurzem habe ich eines dieser "sozialen Netzwerke" nach längerer Pause wieder einmal betreten, weil ich eine "Freundschaftseinladung" erhalten habe. Wie es der Teufel so will habe ich dann in diesem Netzwerk herumgeklickt - ich weiß, dass es nicht gut für mich ist, aber die Verlockung der Links ist nunmal eine sehr mächtige - und bin dabei auf einen Menschen gestoßen, der mir sehr sympathisch ist, den ich aber (noch?) nicht besonders gut kenne.

Und auf dessen Seite habe ich mehr über ihn gelesen, als ich wissen wollte. Nun werde ich die Details hier aus guten Gründen weder breittreten noch breit treten. Bevor die Phantasie des Lesers durchgeht möchte ich allerdings betonen, dass es sich bei dem, was ich dort gelesen habe, keineswegs um verwerfliche oder unmoralische Dinge handelt. Wenn ich sie im normalen Gespräch mit jenem Menschen erfahren hätte wäre es die normalste Sache der Welt gewesen. Ich hätte die Tatsachen und diesen Menschen so akzeptiert, wie sie sind. Gut, vermutlich hätte ich mir meinen Teil dazu gedacht, aber es hätte meine Sympathie diesem Menschen gegenüber nicht angegriffen.

Nur habe ich sie eben nicht im Zuge des normalen Kennenlernens erfahren, sondern in einem leblosen Formular im Internet gelesen. Allein diese unnatürliche Präsentation vergiftete die Wirkung, die die eigentlich harmlose Information auf mich hatte. Zwar bin ich mir dessen bewusst und werde versuchen, diese Wirkung so gering wie möglich zu halten; aber letztendlich wird das nichts daran ändern, dass mir die Chance genommen wurde, diesen Menschen auf dem menschlichen Wege kennenzulernen. Tief in meinem Inneren wird es immer eine Stimme geben die mir einflüstert: "Aha, das habe ich ja im Internet schon gelesen!"

Ich hatte eigentlich gedacht, dass ich zum Thema Datenschutz im Internet eine solide Meinung gebildet hatte, aber diese Erfahrung hat mich eines Besseren belehrt.

Wer um alles in der Welt etwas über mich herausfinden will, dem wird dies gelingen. Darüber besteht für mich kaum ein Zweifel, und in der Regel werde ich dem auch gar nicht im Weg stehen, im Gegenteil. Wer freundlich fragt erhält meist auch eine Antwort. Aber während ich die Kommunikationswerkzeuge dieser "sozialen Netzwerke" durchaus auch in Zukunft noch verwenden werde, habe ich nahezu alles, was dort von mir über mich geschrieben steht, gelöscht. Damit möchte ich anderen die Möglichkeit lassen, mich nicht als steriles Formular auf einer Webseite, sondern als Menschen kennenzulernen.